Je größer das individuelle Anlagevolumen, umso breiter sollte es gestreut werden. Langfristig werden die Finanzmärkte entscheidend von den Entwicklungen in den USA und China bestimmt.
Vor uns liegen Monate, die an wichtigen Plätzen der Welt historische Entwicklungen bringen werden – zumindest bringen können. Und das bezieht sich nicht nur auf das geopolitische Geschehen. Wahlen und Wirtschaftspolitik werden für Schlagzeilen sorgen, mit denen sich auch die Privatanleger hierzulande auseinandersetzen sollten.
Sicher ist die dominierende Rolle der beiden größten Wirtschaftsmächte USA und China. Dazu vorweg: Beide Märkte sollten in breit gestreuten, langfristigen Wertpapierdepots nicht fehlen.
US-Wahlen nicht überschätzen
Die US-Wahlen rücken näher und damit auch die Spekulationen, welchen Einfluss das Ergebnis auf die Börsen haben wird. „Unserer Meinung nach sollten sich Anleger zwar mit den Vorhaben der beiden US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump beschäftigen. In der Vergangenheit haben die Wahlergebnisse die Finanzmärkte allerdings nicht nachhaltig beeinflusst“, sagt Erik Weisman, Chefökonom und Fondsmanager bei MFS Investment Management: Seine Argumentation (die ich sehr interessant finde) in wesentlichen Auszügen:
Kriege, Rezessionen und selbst Pandemien haben nicht verhindert, dass die Aktienkurse langfristig gestiegen sind. Auch welche Partei den Präsidenten und die Kongressmehrheit stellte, hat erstaunlich geringe Auswirkungen auf den Aktienmarkt. Am besten war die Marktentwicklung meist, wenn es unterschiedliche Mehrheiten im Kongress gab – und zwar unabhängig davon, ob der Präsident Demokrat oder Republikaner war. Denn ein Machtgleichgewicht verhindert allzu ehrgeizige Gesetzesvorhaben von einer Partei, die die Märkte oft verunsichern und deshalb zu Volatilität führen.
Aktien sind meist Wahlgewinner
Im historischen Rückblick haben Aktien in Jahren mit Präsidentschaftswahlen meist stark zugelegt, seit 1928 um durchschnittlich 7,5%. Das zweitbeste Jahr für Aktien ist meist das letzte Jahr der vierjährigen zweiten Amtszeit, wobei die Erträge vor allem in der zweiten Hälfte anfallen. Überraschend ist, dass die Aktienmarktvolatilität, gemessen an der Standardabweichung pro Jahr, seit 1928 in Wahljahren und anderen Jahren fast gleich ist. Märkte hassen Unsicherheit. Vielleicht legen Aktien auch deshalb im letzten Jahr der ersten Amtszeit eines Präsidenten stärker zu als im letzten Jahr der zweiten Amtszeit.
Börsen werden vielseitig beeinflusst
Das Fazit von Erik Weisman: Präsidentschaftswahlen in den USA sind wichtig für Wirtschaft und Märkte, aber nicht so wichtig, wie die meisten Anlegerinnen und Anleger glauben. Denn die Aktienmarktentwicklung hängt von vielen Faktoren ab, auf die Politiker keinen Einfluss haben. Präsidenten können Einfluss auf die Inflation nehmen, aber nicht auf Lieferketten, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und auf Basiseffekte. Sie können Vorschläge zur Steuerpolitik machen, aber nicht genau prognostizieren, wie Unternehmen und die Öffentlichkeit darauf reagieren. Deshalb haben Anleger aus unserer Sicht mehr von sorgfältigen fundamentalen Unternehmens- und Marktanalysen als von politischen Spekulationen.
Wie stark wird China wachsen?
Auch hierzulande beschäftigen sich die Börsianer intensiver mit den asiatischen Märkten. China entwickelte sich in den zurückliegenden Wochen sogar zu einem die Tendenz mitbestimmenden Aktienmarkfaktor in Frankfurt – allerdings nur vorübergehend und gemäßigt nach dem Bekanntwerden neuer Maßnahmen zur Wachstumsförderung. Die chinesische Wirtschaft steht 2024 vor erheblichen Herausforderungen. „Die anhaltend schwache Binnennachfrage hat die wirtschaftliche Entwicklung deutlich belastet“, sagt Bin Shi, Head of China Equities bei UBS Asset Management, in einer neuen Analyse. Zwar hat die Regierung bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, doch blieben viele Marktteilnehmer skeptisch – bis zur überraschenden Kehrtwende im September.
Zinssenkungen und ihre Wirkung
Die jüngste Runde von Zinssenkungen, die bereits im Juni eingeleitet wurde, markierte nur den Anfang. „Die breiten Zinssenkungen im September, zusammen mit der Senkung des Mindestreservesatzes, schaffen den notwendigen Raum für eine stärkere Kreditvergabe“, erklärt Shi. Dies ermögliche den Banken, mehr Kapital in die Realwirtschaft zu lenken, was das Konsumklima und das Vertrauen in die Märkte stärken könnte.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einführung neuer Liquiditätsinstrumente. „Die Swap-Einrichtungen für Wertpapierfirmen und die Re-Finanzierungsfazilität bieten dringend benötigte Liquidität und helfen, den Druck auf die Kapitalmärkte zu lindern“, sagt Shi. Diese Maßnahmen könnten nicht nur das Vertrauen der Investoren stärken, sondern auch auf weitere Lockerungen hindeuten.
Trotz der zahlreichen Maßnahmen bleibt der Immobilienmarkt eine der größten Herausforderungen für China. „Der Immobiliensektor steht weiterhin unter starkem Druck, und die jüngsten Preissenkungen haben die Situation nicht wesentlich verbessert“, so Shi. Die Regierung hat die Anzahlung für Zweitwohnungen gesenkt und die Zinsen für bestehende Hypotheken reduziert, um den Markt zu stabilisieren. „Es wird jedoch länger dauern, bis sich die Preise in den Großstädten erholen und sich der Sektor nachhaltig stabilisiert“, fügt er hinzu.
Staatsanleihen als Stütze der Wirtschaft
Ein weiteres zentrales Element der chinesischen Wirtschaftsstrategie sind die Sonderstaatsanleihen. „Mit der Ausgabe von ‚ultralangen‘ Anleihen möchte die Regierung gezielt langfristige Infrastrukturprojekte finanzieren“, erklärt Shi. Diese Anleihen bieten eine stabile Finanzierungsquelle für Schlüsselprojekte, die den privaten Sektor entlasten und zur Stabilisierung der Wirtschaft beitragen könnten.
Langfristige Perspektiven
Die Schritte der chinesischen Regierung übertreffen zwar die Erwartungen, doch die langfristigen Herausforderungen bleiben bestehen. „Für eine nachhaltige Erholung benötigen wir gezielte Maßnahmen, die direkt bei den Haushalten ansetzen“, meint Shi. „Der Konsum und das Vertrauen der Unternehmer müssen gestärkt werden, um die wirtschaftliche Abwärtsspirale zu durchbrechen.“
Kurzfristig reagieren die Märkte positiv auf die neuen Initiativen. „Der Shanghai Stock Exchange Composite Index legte nach den Ankündigungen im September deutlich zu“, so Shi. Doch für eine nachhaltige Stabilisierung werde es darauf ankommen, wie konsequent die Maßnahmen umgesetzt werden: Die Richtung stimmt, aber es wird Zeit brauchen, bis die Wirtschaft auf breiter Front davon profitiert.