Spekulieren und Stockpicking – das geht immer. Aber konservatives Investieren? Vorsichtigen Anlegern empfehle ich mit neuen Engagements erst einmal abzuwarten.   

Die Welt ist in den vergangenen Wochen an verschiedenen Stellen in Unordnung – besser: aus den Fugen – geraten. Politisch und wirtschaftlich. Die Finanzmärkte reagieren immer noch mit erstaunlicher Gelassenheit und machen das Beste daraus. Als alter Optimist möchte ich Sie dennoch vor neuen Engagements warnen, geschätzte Privatanleger, denn eine Trendumkehr mit dramatischen Kursverlusten ist in der „Zeit der Entscheidungen“ (insbesondere bei Aktien) nicht auszuschließen.

Auch deutsche Börsenprofis und Fondsmanager haben jetzt vor allem Amerika im Auge. Denn die Präsidentschaftswahlen stehen kurz bevor: Am 5. November, einem Dienstag, werden die Amerikaner ihren neuen Präsidenten oder ihre neue Präsidentin wählen. Die Stimmabgabe vor dem eigentlichen Wahltag hat bereits begonnen. Auch in einigen „Swing States“, von denen der Wahlausgang abhängen kann, können die Wähler schon abstimmen. Weltweit befassen sich die Anleger mit der Frage, welche Auswirkungen die Wahlen auf die Märkte haben können. Nach wie vor ist das Rennen so knapp, dass keine verlässliche Prognose möglich scheint.

Wahlausgang in USA unsicher

Kommentiert Allianz Global Investors: Wie zu erwarten, spricht sich Vizepräsidentin Harris weitgehend für eine Fortsetzung der Politik von Präsident Biden aus. Falls sie gewinnen sollte, können die Anleger also mit einer gewissen politischen und wirtschaftlichen Kontinuität rechnen. Der ehemalige Präsident Trump dagegen will seine „America First“-Politik noch intensiver verfolgen. Sollte er Präsident werden, könnte ein abrupter Kurswechsel anstehen: höhere Zölle, Deregulierung in einigen Sektoren, schärfere Grenzkontrollen und weniger Rücksicht in der US-Außenpolitik.

In der Fiskalpolitik haben beide Lager interessante Steuersenkungs- und Ausgabenprogramme vorgelegt. Trumps Vorschläge würden mehr kosten, nämlich rund 7,5 Billionen Dollar verglichen mit 3,5 Billionen Dollar für Harris‘ Vorhaben (die Zahlen stammen vom parteiunabhängigen Think Tank „Committee for a Responsible Budget“).

Und wie entscheidet der Kongress?

Aus Anlegersicht könnten fiskalpolitische Impulse das Wachstum kurzfristig ankurbeln (wobei auch Inflationsraten, Zinsen usw. ansteigen würden), glauben die Fondsmanager. Gleichzeitig würde aber Amerikas ohnehin langfristig nicht tragbare Schuldenlast weiter wachsen. Eins sollte man jedoch nicht vergessen: Der Haushalt wird vom Kongress und nicht vom Präsidenten beschlossen. Für größere fiskalpolitische Vorhaben benötigt der Präsident oder die Präsidentin also die Zustimmung beider Kammern, des Repräsentantenhauses und des Senats. Damit diese Zustimmung gesichert ist, müssten entweder die Republikaner oder die Demokraten am Wahltag nicht nur das Weiße Haus, sondern auch die Mehrheit in beiden Kongresskammern gewinnen.

Stimmungseuphorie ist gefährlich

Zu vorsichtigen Ergebnissen kommt auch die jüngste Sentix-Erhebung. Womit ist am Wahltag zu rechnen? Den Umfragen zufolge ist das Rennen außerordentlich knapp, sodass gegebenenfalls auf Tage oder sogar Wochen hinaus kein amtliches Ergebnis zu erwarten ist. Allerdings bewegen sich die Ergebnisse der meisten Umfragen innerhalb der statistischen Fehlertoleranz. Für globale Anleger – und viele US-Wähler – wäre es wohl günstig, wenn bald Klarheit über den Wahlausgang herrschte.

Stimmungsindikatoren an den Börsen zeigen Euphorie an, berichten die Frankfurter Sentiment-Analysten. Damit verschlechtern sich die Risikoparameter – gerade für den Dax. Neben einer hohen Overconfidence steigt auch das Positionsrisiko deutlich an! Ausgelassenheit zeichnet sich zudem am Kryptomarkt ab. Die Spekulations-Lust ist gemäß Bitcoins-Sentiment ausgesprochen hoch. Auch bei Silber jubeln die Anleger. Hier spiegelt sich jedoch eher die Charakteristik eines Stimmungsimpulses, der weitere Kursgewinne in Aussicht stellt.

Gemischte Indikatoren aus Deutschland

Aus dem Inland kommen täglich schlechter werdende Lageberichte. Und trotzdem wächst parallel die Hoffnung auf eine nahende Wende – auch politisch. Der Wirtschaftsrat der CDU bewertet die wirtschaftliche Lage der kleinen und mittleren Unternehmen sehr kritisch. Wie der Datev-Mittelstandsindex belegt, ist erstmals seit dreieinhalb Jahren die Beschäftigung im Mittelstand im September zurückgegangen. „Die Umsätze und Erlöse sind so weit abgesackt, dass der Abschwung inzwischen auch die Beschäftigung im Mittelstand erfasst hat.“

Auch die deutsche Wirtschaft blickt mit Spannung über den großen Teich. Denn die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Exportmarkt für hiesige Unternehmen. 2024 werden die USA voraussichtlich auch wieder China als weltweit wichtigsten Handelspartner Deutschlands insgesamt ablösen. Es bestehen also sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Fast 6.000 deutsche Unternehmen schaffen in den Staaten rund 900.000 Arbeitsplätze. Die USA liegen auf dem ersten Platz der deutschen Direktinvestitionen weltweit. Dabei schätzen Unternehmen insbesondere die Größe des US-Marktes und die stabilen wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen, so die Ergebnisse des AHK World Business Outlook Frühjahr 2024.

Aber: Andererseits hat sich jetzt die Stimmung der Unternehmen in Deutschland verbessert. So stieg der vielbeachtete Ifo-Geschäftsklima-Index  im Oktober auf 86,5 Punkte, nach 85,4 Punkten im September. Das ist der erste Anstieg nach vier Rückgängen in Folge. Die Unternehmen zeigten sich zufriedener mit ihrer aktuellen Lage. Auch die Erwartungen hellten sich auf, bleiben aber von Skepsis geprägt. Die deutsche Wirtschaft konnte den Sinkflug vorerst stoppen, schreibt das Ifo am Freitag. Und Frankfurter Banker ergänzen: Für 2025 sind die verbesserten Aussichten eine erste gute Nachricht.

Was wird aus den globalen Brennpunkten?

Innenpolitisch sieht es bei uns so traurig aus wie lange nicht mehr. Wie lange die Ampel noch hält, ist ebenso ungewiss wie der Wahlausgang in den USA. Nur spielt der Berliner Koalitionszoff aus Börsensicht eine untergeordnete Rolle. Weitaus gefährlicher erscheinen die globalen Brennpunkte. Denn aus dem Angriff Putins auf die Ukraine kann sich ein Ost-West-Krieg mit unabsehbaren Folgen entwickeln. Im Nahen Osten hat die Eskalation bereits begonnen. Und in Fernost spielt China in den Augen des Westens weiter eine unsichere Rolle.

Zu guter Letzt: Konflikte, Krisen und Kriege bilden ein unkalkulierbares Risikopotential für die Finanzmärkte bei uns und weltweit. Geschätzte Anleger, Sie sollten dennoch an Ihren ganz langfristigen Investments in Sachwerten (Aktien, Rohstoffe, Gold) festhalten!